
Geometrie in Serie: Sara Leonors Stühle wie «Zeed», «Hexa» und «GoGo» verbinden Kunst, Funktion und spielerische Balance.
«Seit ich mit Design begonnen habe, fühle ich mich vom Bauhaus-Stil und von Geometrie angezogen», sagt Sara Leonor. Die in Madrid geborene Designerin lebt seit vielen Jahren in London – und hat sich dort ganz dem Stuhl verschrieben. Nicht als Möbelstück für den Alltag, sondern als ikonisches Objekt, das Geschichten erzählt.
Schon als Kind faszinierten sie Klassiker wie Rietvelds «Red and Blue Chair» oder der «Zig Zag». Wenige Jahre später baute sie sie im Massstab 1:1 nach – der erste Schritt in eine autodidaktische, experimentelle Laufbahn. Heute umfasst ihre Sammlung über tausend Stuhlentwürfe, jeder mit eigener Struktur, Persönlichkeit und Symbolik.
2009 stellte sie sich eine radikale Aufgabe: ein Stuhl pro Tag, ein ganzes Jahr lang. «Ich begann mit unmöglichen Stühlen, doch bald entwarf ich Modelle, die realisierbar waren – aus lasergeschnittenen Platten, die ich selbst zusammenbaute.» Daraus entstand eine stetig wachsende Sammlung, die längst über 1'000 Modelle zählt. Rund 400 davon existieren in Miniatur, dank 3D-Druck im Massstab 1:14. 35 Stücke wurden in Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern in Originalgrösse realisiert.
Zu ihren bekanntesten Entwürfen gehört «Zeed», ein Stuhl, der auf den ersten Blick instabil wirkt und doch in perfektem Gleichgewicht steht. «Mehr als 30 Schreiner sagten mir, es würde nicht funktionieren. Einer wagte es schliesslich – überzeugt, dass er zusammenbricht. Doch er hielt.» 2010 türmte Leonor auf der Londoner Messe gleich 16 Exemplare übereinander.
Ein weiteres Highlight ist «Dandelion», ein faltbarer 3D-gedruckter Stuhl, der sich zu einem Würfel von 22 Zentimetern zusammenlegen lässt. «Mit Dandelion habe ich den 3D-Druck entdeckt. Seither produziere ich alle meine Prototypen im Massstab 1:14 – das gibt mir völlige Freiheit, Formen zu erforschen.»
Andere Stücke wie «GoGo», «HEXA» oder «HI» bewegen sich an der Grenze von Kunst und Funktion. Rückenlehnen verwandeln sich in grafische Kompositionen, Transparenz wird zur Skulptur, Symmetrie zum Spiel.
Ihre Stühle sind keine Sitzgelegenheiten für den Alltag. «Die Stühle, die ich entwerfe, sind nicht zum Essen oder Arbeiten gedacht. Sie sind ikonische Elemente, die man in eine Ecke stellt», sagt sie. Mal inspiriert von Marilyn Monroe, mal von Superhelden sind viele Stücke als Teil künstlerischer Installationen entstanden.
Der Weg führte Sara Leonor von Madrid nach London, wo sie über zwölf Jahre bei B3 Designers an Hospitality-Projekten arbeitete, bevor sie 2018 ihr eigenes Studio gründete. Seit 2020 ist sie mit einem Atelier auf der Upper Street in Islington präsent. Dort entstehen Möbel, Leuchten und Innenräume – immer im engen Dialog mit Kund:innen, immer mit einer Spur künstlerischer Freiheit.
Über zwanzig Jahre hat Sara Leonor ein Universum geschaffen, in dem der Stuhl sich von Konventionen löst. Er wird zu Skulptur, zu Emotion, zu einer Geschichte aus Holz, Acryl, Glas oder Keramik – ihrem nächsten Materialexperiment. «Jeder Stuhl ist für mich eine Chance, Erwartungen zu durchbrechen und ihn neu zu interpretieren», sagt sie.
Dass diese Haltung auch die Fachwelt überzeugt, zeigte sich 2021: Die IADE School of Design, an der Leonor selbst studierte, ehrte sie mit dem Emerging Figure Prize in der Kategorie Interior Design – «für eine junge Designerin, die Prototypen von Hand fertigt und mit mutigen Vorschlägen überrascht». Ihre Stühle laden ein, das Sitzen neu zu denken – und das Staunen nicht zu verlernen.

Sara Leonor zwischen Stühlen, die mehr erzählen als sie tragen. Jedes Stück ist ein Experiment zwischen Geometrie, Leichtigkeit und Fantasie.